Die Finanzplanung in einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) ist komplex. Im Zentrum steht der Wirtschaftsplan, der die voraussichtlichen Einnahmen und Ausgaben der Gemeinschaft für das kommende Jahr festlegt. Ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 26. September 2025 (Az. V ZR 108/24) präzisiert nun, wie viel Spielraum die Eigentümer bei der Festlegung der Vorschüsse – den sogenannten Hausgeldvorauszahlungen – haben. Das Urteil ist ein wichtiges Signal für die Verwaltungssicherheit in der WEG und schränkt die Anfechtungsmöglichkeiten einzelner Eigentümer ein.
Weites Ermessen bei der Festsetzung der Vorschüsse
Der BGH stellt klar, dass den Wohnungseigentümern bei der Beschlussfassung über die Vorschüsse zur Kostentragung ein weites Ermessen zusteht. Dieses Ermessen umfasst zwei Hauptbereiche:
Höhe der Kosten: Welche Posten (z.B. Reparaturen, Verwaltung, Reinigung) überhaupt in den Wirtschaftsplan aufgenommen werden.
Höhe der Vorschüsse: Wie hoch die monatlichen Hausgeldzahlungen und die Zuführung zur Instandhaltungsrücklage angesetzt werden.
Die Gemeinschaft soll eine wirtschaftlich vernünftige und vorausschauende Planung gewährleisten können.
Anfechtung nur bei offensichtlicher Unangemessenheit
Das Urteil stärkt die Beschlusskompetenz der Eigentümerversammlung erheblich. Ein Beschluss über den Wirtschaftsplan kann laut BGH nur dann erfolgreich angefochten werden, wenn im Zeitpunkt der Beschlussfassung evident (also offensichtlich und klar erkennbar) ist, dass die angesetzten Vorschüsse zu weit überhöht oder wesentlich zu niedrig sind.
Wichtig: Ein einzelner Eigentümer kann nicht einfach anfechten, weil er die Kosten für eine bestimmte Position (z.B. die Höhe der Instandhaltungsrücklage oder die Verwaltergebühren) für persönlich überzogen hält. Der Maßstab ist die objektive Unangemessenheit.
Beispiel:
Eine WEG in Wetzlar beschließt, die monatliche Zuführung zur Instandhaltungsrücklage von 10 € auf 15 € pro Quadratmeter Wohnfläche anzuheben, um für anstehende Dachsanierungen vorzusorgen. Ein Eigentümer hält dies für zu viel und möchte anfechten. Der BGH stellt klar: Solange die Erhöhung nicht offensichtlich dazu führt, dass die Gemeinschaft ein völlig überzogenes Vermögen ansammelt und die Eigentümer ohne Not stark finanziell belastet, muss er den Beschluss dulden. Das weite Ermessen der Gemeinschaft ist hier geschützt.
Keine umfassende Inhaltskontrolle von Verträgen
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Einschränkung der gerichtlichen Kontrolle. Wer einen Beschluss über den Wirtschaftsplan anficht, kann im gerichtlichen Verfahren nicht verlangen, dass die Wirksamkeit aller Verträge (z.B. der Verwaltervertrag, Mietverträge über Gemeinschaftsflächen), die der Plan zugrunde legt, umfassend überprüft wird.
Aus Gründen der wirtschaftlichen Vorsicht und Planungssicherheit muss die Gemeinschaft grundsätzlich davon ausgehen, dass die von ihr geschlossenen Verträge wirksam sind. Nur bei evidenten, also offensichtlichen Rechtsmängeln eines zugrundeliegenden Vertrages könnte dies die Anfechtbarkeit des Wirtschaftsplans begründen.
Bedeutung für Eigentümer und Verwalter
Das Urteil unterstreicht, dass die finanzielle Planung in der WEG auf Vertrauen und Vorausschau basiert. Es reduziert das Risiko, dass notwendige Wirtschaftspläne durch die Klagen einzelner Eigentümer blockiert oder verzögert werden. Es ist aber weiterhin unerlässlich, dass der Wirtschaftsplan die Grundsätze der ordnungsmäßigen Verwaltung ($ \S 19$ Abs. 2 WEG) beachtet. Für Sie als Eigentümer und Verwalter ist es ratsam, Beschlüsse über Vorschüsse transparent zu begründen und sich bei rechtlichen Unklarheiten frühzeitig durch einen spezialisierten Rechtsanwalt beraten zu lassen.