Sturz beim Kaffeetrinken: Wann ist es ein Arbeitsunfall?

LAG Sachsen-Anhalt: Am Kaffee verschlucken und dabei Stürzen kann Arbeitsunfall sein (Az. L 6 U 45/23)

 

Ein kleines Missgeschick im Arbeitsalltag – man verschluckt sich am Kaffee. Doch was passiert, wenn dieser kurze Schreckmoment zu einem Sturz und einer Verletzung führt? Ist das dann noch „Privatsache“ oder greift die gesetzliche Unfallversicherung? Das Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt hat hierzu eine interessante Entscheidung getroffen, die die Grenzen zwischen privaten und betrieblichen Tätigkeiten neu beleuchtet.

 

Die gängige Regel: Essen und Trinken sind Privatsache

 

Grundsätzlich gilt in Deutschland: Das Essen und Trinken dient der Befriedigung eines rein persönlichen, menschlichen Grundbedürfnisses. Es gehört somit zur eigenwirtschaftlichen Tätigkeit und steht nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Ein Unfall, der in direktem Zusammenhang mit dem Konsum von Speisen oder Getränken passiert, wird in der Regel nicht als Arbeitsunfall anerkannt.

 

Der Fall vor dem LSG Sachsen-Anhalt

 

Der Fall, über den das LSG Sachsen-Anhalt zu entscheiden hatte, war jedoch besonders:

  • Ein Vorarbeiter auf einer Baustelle nahm an einer morgendlichen Dienstbesprechung in einem Baucontainer teil.

  • Während des dienstlichen Treffens trank er Kaffee.

  • Er verschluckte sich, musste heftig husten, verlor kurz das Bewusstsein (sogenannte Hustensynkope) und stürzte dabei mit dem Gesicht auf ein Metallgitter.

  • Folge war unter anderem ein Nasenbeinbruch.

Die Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung als Arbeitsunfall zunächst ab, da das Kaffeetrinken aus ihrer Sicht privat motiviert war.

 

Warum das Gericht den Unfall anders beurteilte

 

Das LSG Sachsen-Anhalt sah das anders und stellte fest, dass ein Arbeitsunfall vorlag. Die Richter argumentierten, dass das Kaffeetrinken in diesem konkreten Fall nicht ausschließlich privaten Zwecken diente. Folgende Punkte waren dabei entscheidend:

  • Das Kaffeetrinken fand im Rahmen einer betrieblichen Besprechung statt, die dienstlich notwendig war.

  • Der Arbeitgeber hatte das gemeinsame Kaffeetrinken aktiv gefördert und sich teilweise selbst um die Vorräte gekümmert.

  • Das Getränk trug zur Stärkung der Kollegialität und zur Aufnahmebereitschaft während der Besprechung bei.

Das Gericht wertete daher die gesamte Situation als eine dem betrieblichen Zweck zuzuordnende Tätigkeit. Der daraufhin folgende Sturz war die unmittelbare Folge des beim Kaffeetrinken ausgelösten Hustenanfalls und somit ebenfalls versichert.

 

Was bedeutet dieses Urteil für Sie?

 

Diese Entscheidung zeigt, dass die Abgrenzung zwischen Arbeitsunfall und privatem Unglück stets vom Einzelfall abhängt. Wenn private Handlungen in einem engen Zusammenhang mit betrieblichen Abläufen stehen und vom Arbeitgeber gefördert werden, kann der Versicherungsschutz greifen.

 

Wichtig für Arbeitnehmer:

 

  • Dokumentation: Melden Sie jeden Unfall im Betrieb, auch wenn er auf den ersten Blick privat erscheint.

  • Zusammenhang: Achten Sie auf den genauen zeitlichen und örtlichen Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit (z.B. eine Besprechung).

Sollte Ihnen nach einem Unfall die Anerkennung durch die Berufsgenossenschaft verweigert werden, prüfen wir gerne Ihre individuellen Chancen in einem Widerspruchs- oder Klageverfahren.

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