Wer erbt wann? OLG Braunschweig zur Auslegung von Testamenten

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Wenn der Erblasser nicht klar „Erbe“ schreibt

 

In Testamenten geht es oft um mehr als nur um die Verteilung von Vermögenswerten; es geht um den letzten Willen des Erblassers. Doch was passiert, wenn dieser Wille nicht eindeutig formuliert ist und das Wort „Erbe“ gar nicht fällt? Das Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig hat sich in einem aktuellen Urteil vom 03.11.2025 (Az.: 10 U 81/25) mit der zentralen Frage befasst, wann die Zuwendung eines einzelnen, aber sehr wertvollen Gegenstandes – wie einer Immobilie – als Erbeinsetzung und nicht nur als Vermächtnis zu werten ist.

Die Entscheidung ist für jeden wichtig, der ein Testament verfasst oder von einem solchen betroffen ist, welches nur Einzelgegenstände verteilt.

Erbe oder Vermächtnis? Der feine Unterschied

 

Juristisch gesehen gibt es einen großen Unterschied:

 

  • Erbe: Tritt in die Fußstapfen des Verstorbenen (Gesamtrechtsnachfolger). Er wird Eigentümer des gesamten Nachlasses und muss sich um alle Schulden und Nachlassverbindlichkeiten (z.B. Beerdigungskosten) kümmern.

  • Vermächtnisnehmer: Erhält nur einen bestimmten Gegenstand (z.B. ein Auto, ein Schmuckstück oder eine Immobilie) und hat lediglich einen Anspruch gegen den oder die Erben auf Herausgabe dieses Gegenstandes. Er haftet grundsätzlich nicht für die Schulden des Erblassers.

Das OLG Braunschweig hat in seinem Leitsatz klargestellt, dass es bei der Entscheidung, ob eine Person als Erbe eingesetzt ist, darauf ankommt, wer nach dem Willen des Erblassers den Nachlass regeln soll und wer die Nachlassschulden zu tilgen hat.

 

Der Fall vor Gericht: Die Rolle des Juristen

 

Im vorliegenden Fall hatte ein verstorbener Rechtsanwalt ein Testament verfasst, in dem er seine beiden Töchter (Klägerinnen) explizit von der Erbfolge ausschloss. Seine langjährige Lebensgefährtin (Beklagte) erhielt das werthaltigste Gut: eine Gewerbeimmobilie („Ladengeschäft R.“) – ob ihrer Pflege. Das Testament enthielt ansonsten nur kleinere Zuwendungen an Dritte.

Das Landgericht sah die Lebensgefährtin wegen des hohen Wertes der Immobilie als Alleinerbin an. Das OLG Braunschweig korrigierte diese Ansicht in der Berufung jedoch.

 

Das Ergebnis des OLG Braunschweig:

 

Auch wenn die Beklagte den wertvollsten Gegenstand erhielt und der Erblasser ein Jurist war, der die Begriffe kannte, reichte dies dem OLG nicht aus, um eine Alleinerbeneinsetzung anzunehmen.

 

  1. Fokus auf den Willen: Entscheidend war die Auslegung des Erblasserwillens (§§ 133, 2084 BGB). Da der Erblasser die Zuwendung ausdrücklich als Belohnung für die Pflege der Lebensgefährtin auslobte, sprach dies eher für ein zweckgebundenes Vermächtnis als für die Bestimmung zum Träger der gesamten Nachlassverantwortung.

  2. Verteilung der Lasten: Es fehlte im Testament jeglicher Hinweis darauf, wer die Nachlassverbindlichkeiten (Schulden, Beerdigungskosten) tragen sollte. Der Wille, die Lebensgefährtin zur Erbin und damit zur Schuldenzahlerin zu machen, war nicht feststellbar.

Die Folge: Da keine Erbeinsetzung vorlag und die gesetzliche Erbfolge ausgeschlossen wurde, war die Beklagte nicht zur Zahlung der Beerdigungskosten verpflichtet.

 

Fazit:

 

Die bloße Zuwendung des größten Vermögensgegenstandes (hier: einer Immobilie) macht den Bedachten nicht automatisch zum Erben, wenn der Gesamtwille des Testaments nicht darauf hindeutet, dass dieser die Verantwortung für den gesamten Nachlass – inklusive Schulden – übernehmen sollte. Das Testament muss immer individuell ausgelegt werden.


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