Erbschaftsausschlagung – fälschlich angenommene Überschuldung

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Die Ausschlagung einer Erbschaft ist eine weitreichende Entscheidung, die Erben treffen können, um sich von den finanziellen Verpflichtungen eines Nachlasses zu lösen. Doch was passiert, wenn diese Entscheidung auf einem Irrtum beruht? Aktuelle Urteile deutscher Gerichte beleuchten die komplexen rechtlichen Aspekte rund um die Anfechtung einer Erbausschlagung.

 

Anfechtung bei fälschlich angenommener Überschuldung

 

Ein zentraler Punkt ist die Möglichkeit, eine Erbausschlagung anzufechten, wenn der Erbe irrtümlich von einer Überschuldung des Nachlasses ausgegangen ist. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main entschied in einem Fall zugunsten einer Tochter, die das Erbe ihrer Mutter ausgeschlagen hatte. Ihre Entscheidung beruhte auf der Annahme, dass der Nachlass überschuldet sei, da sie Berichte über den chaotischen Zustand der Wohnung und die schwierigen Lebensumstände ihrer Mutter erhalten hatte. Später stellte sich heraus, dass erhebliche Kontoguthaben vorhanden waren. Da sich die Tochter über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses – nämlich dessen Zusammensetzung – geirrt hatte, konnte sie die Ausschlagung erfolgreich anfechten.

 

Rechtliche Voraussetzungen für eine Anfechtung

 

Eine Anfechtung ist nur möglich, wenn ein beachtlicher Eigenschaftsirrtum vorliegt (§ 119 Abs. 2 BGB). Dieser muss sich auf wesentliche Merkmale des Nachlasses beziehen, wie etwa das Vorhandensein von Vermögenswerten oder Verbindlichkeiten. Ein bloßer Irrtum über den Wert des Nachlasses reicht hingegen nicht aus. Das Oberlandesgericht Zweibrücken bestätigte diese Regelung in einem Fall, in dem eine Enkelin das Erbe ausschlug, weil sie von einer Überschuldung ausging. Obwohl sich später zeigte, dass der Verkauf einer Immobilie die Schulden überstieg, war ihre Anfechtung unwirksam. Der Irrtum betraf lediglich den Wert des Nachlasses und war nicht kausal für ihre Entscheidung.

 

Abgrenzung zwischen Eigenschaftsirrtum und Motivirrtum

 

Gerichte differenzieren klar zwischen einem Eigenschaftsirrtum und einem Motivirrtum. Während ersterer eine Anfechtung ermöglicht, bleibt ein Motivirrtum rechtlich unbeachtlich. Ein Eigenschaftsirrtum liegt vor, wenn der Erbe falsche Vorstellungen über die Zusammensetzung des Nachlasses hat (z. B. unbekannte Kontoguthaben). Spekulationen oder ungenaue Informationen ohne konkrete Grundlage berechtigen jedoch nicht zur Anfechtung.

 

Praktische Tipps für Erben

 

Vor der Ausschlagung sollten Erben den Nachlass gründlich prüfen und sich nicht von Zeitdruck leiten lassen. Eine fundierte Bewertung der Vermögenswerte kann spätere rechtliche Komplikationen verhindern. Zudem bietet das Gesetz Instrumente zur Haftungsbegrenzung bei überschuldeten Nachlässen.

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