Hohe Steuernachzahlung nach Vertragsabschluss? Rettung durch „Wegfall der Geschäftsgrundlage“

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Ein Vertrag ist geschlossen, die Tinte ist trocken – und Monate später flattert ein unerwarteter Steuerbescheid ins Haus. Eine Situation, die für viele Privatpersonen und Unternehmer existenzbedrohend sein kann. Oft beruht der Vertrag auf der gemeinsamen Annahme beider Parteien, dass keine oder nur geringe Steuern anfallen. Stellt sich diese Annahme als falsch heraus, war der Vertrag wirtschaftlich vielleicht sinnlos.

Ein aktuelles Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH, Urt. v. 9.5.2025 – IX R 4/23) stärkt nun die Rechte der Betroffenen und zeigt einen Weg auf, wie solche teuren Fehler korrigiert werden können.

 

 

Was ist der „Wegfall der Geschäftsgrundlage“?

 

 

Von einem Wegfall der Geschäftsgrundlage spricht man, wenn sich nach Vertragsschluss Umstände grundlegend ändern oder sich wesentliche Vorstellungen beider Parteien als falsch herausstellen. Hätten die Vertragspartner dies gewusst, hätten sie den Vertrag so nicht geschlossen. Ein solcher fundamentaler Irrtum kann auch die steuerlichen Folgen eines Geschäfts betreffen.

 

 

Ein Beispiel aus der Praxis

 

 

Im vom BFH entschiedenen Fall übertrug ein Ehegatte im Rahmen einer Vermögensauseinandersetzung Anteile an einer GmbH auf den anderen. Beide gingen fest davon aus, dass dieser Vorgang keine Einkommensteuer auslösen würde. Das Finanzamt sah dies anders und setzte eine erhebliche Steuerschuld fest. Durch diese Steuerlast wurde der ursprüngliche Zweck der Vereinbarung wirtschaftlich zunichtegemacht. Daraufhin hoben die Eheleute den Vertrag wieder auf.

 

 

Die gute Nachricht: Vertrag kann steuerlich rückabgewickelt werden

 

 

Der BFH entschied, dass die Aufhebung des Vertrags aufgrund dieses gemeinsamen Irrtums über die Steuerfolgen auch steuerlich zurückwirkt. Das bedeutet: Der ursprüngliche, steuerpflichtige Vorgang gilt als nicht geschehen, und die Steuerschuld entfällt.

Dafür müssen jedoch strenge Voraussetzungen erfüllt sein:

 

  • Gemeinsamer Irrtum: Beide Vertragsparteien müssen derselben falschen Vorstellung über die steuerlichen Folgen unterlegen haben. Die einseitige Erwartung nur einer Partei genügt nicht.

  • Wesentlichkeit: Die Annahme der Steuerneutralität muss für den Entschluss, den Vertrag zu schließen, von entscheidender Bedeutung gewesen sein.

  • Nachweis: Die Betroffenen müssen nachweisen, dass diese gemeinsame Vorstellung bereits bei Vertragsschluss bestand und die Basis der Einigung war.

  • Unzumutbarkeit: Das Festhalten am Vertrag muss aufgrund der unerwarteten Steuerlast für die Parteien unzumutbar sein.

Dieses Urteil ist eine wichtige Hilfe für Fälle, in denen die steuerlichen Konsequenzen eines Vertrags von den Parteien falsch eingeschätzt wurden. Es zeigt, dass das Steuerrecht nicht blind für die zivilrechtlichen Grundlagen eines Geschäfts ist. Dennoch ist die saubere Dokumentation der Vertragsgrundlagen und eine fachkundige Beratung im Vorfeld der beste Weg, um solche Steuerfallen von vornherein zu vermeiden.

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